POLYTEC PASSION CREATES INNOVATION

„WIR HABEN UNSERE ORGANISATION NOCH BESSER AUF KÜNFTIGE HERAUSFORDERUNGEN VORBEREITET:“

Interview mit dem Vorstand

​​​​​​​​​​​​​​Ein Interview mit den Mitgliedern des Vorstands der POLYTEC GROUP über Marktveränderungen, Unternehmensstrategien und Zukunftsaussichten. 
V. l. n. r.: Markus Mühlböck (CFO), Martin Resch (COO), Peter Bernscher (CCO/Stellvertretender Vorsitzender), Markus Huemer (CEO).


Herr Huemer, das Jahr 2024 war stark von der Stagnation der europäischen Wirtschaft – und mit ihr der Automobilindustrie – geprägt. Wie hat sich das alles auf die Performance der POLYTEC GROUP ausgewirkt?​​​​​​​


​​​​​​​Markus Huemer:  Das Wichtigste vorab: Trotz aller negativen Einflüsse ist es uns gelungen, eine Trendumkehr zu erwirken und das operative Ergebnis nach einem deutlichen Verlust im Vorjahr wieder ins Positive zu drehen. Auch wenn dies nicht dauerhaft zufriedenstellend sein kann, ist es angesichts der schwierigen Umfeldbedingungen doch ein deutlich positives Zeichen.

Die Automobilindustrie steckt in Schwierigkeiten, besonders in Europa. Wir verzeichnen nachhaltige Rückgänge im Automotive-Bereich und – wie immer in wirtschaftlich instabilen Zeiten – auch bei Nutzfahrzeugen. Die Volatilität ist hoch, die mittelfristige Planbarkeit weiterhin gering, wenn auch etwas besser als in den vergangenen Jahren. Wir halten bei etwa 15 bis 16 Millionen produzierten Fahrzeugen pro Jahr in Europa – verglichen mit 20,6 Millionen im Jahr 2017, dem bisherigen Spitzenwert. Für 2025 liegt die Prognose in ähnlicher Höhe und damit um knapp 30 Prozent unter dem Niveau von 2017.

Wir selbst haben in den letzten Jahren sechs Werke geschlossen, während die meisten anderen Unternehmen im Kunststoffbereich keine derartigen Schritte unternommen haben. Die Überkapazitäten und damit der Preisdruck sind entsprechend hoch. Mit unserer Verschlankung haben wir wesentliche Grundlagen geschaffen, auch wenn die Verdichtung auf die verbliebenen Werke zusätzliche Herausforderungen mit sich brachte.

 

Erfreulich ist hingegen unser sehr gutes Non-Automotive-Geschäft, das die Rückgänge im Automotive-Bereich im abgelaufenen Jahr kompensieren konnte. Auf dieser Basis haben wir ein solides Umsatzwachstum erzielt.

Gleichzeitig hatten wir schon seit dem Jahr 2023 in zwei unserer Werke – Lohne und Weierbach – mit operativen Schwierigkeiten durch eine überdurchschnittlich hohe Anlaufdichte und eine Änderung der Portfoliostruktur zu kämpfen. Dies führte zu erheblichen Belastungen. Die Situation hat sich aber dank umfangreicher, rasch eingeleiteter Maßnahmen im dritten und vierten Quartal 2024 deutlich stabilisiert. Per Saldo ist unser EBIT damit positiv, aber bei Weitem nicht erfreulich. Unser EBITDA hat sich übrigens in jedem einzelnen Quartal gegenüber 2023 verbessert.

Neben den Maßnahmen in den Werken Lohne und Weierbach haben wir aber auch ganz allgemein an unseren Strukturen gearbeitet, um unsere Schlagkraft und unsere Profitabilität zu stärken. Dies umfasst auch eine laufende Evaluierung unserer Produkte und unseres Footprints. 

Ungeachtet der schwierigen Rahmenbedingungen ist es uns neben der bereits erwähnten deutlichen Steigerung des operativen Ergebnisses auch gelungen, unsere Bilanzstruktur weiter zu verbessern. Unsere soliden Bilanzkennzahlen bilden eine gute Basis für das nachhaltige Vertrauen von Investor:innen, Banken und auch Mitarbeiter:innen, das in den letzten Jahren durchaus auf die Probe gestellt wurde.

 


Welche Maßnahmen setzen Sie den schwierigen Rahmenbedingungen konkret entgegen?

 

Markus Huemer: Wir bewegen uns von der starken Zentralisierung der vergangenen Jahre in Richtung einer dosierten Redezentralisierung. Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf der Sachkostenoptimierung und der Anpassung unserer Kostenstruktur an das nachhaltig niedrigere Produktionsniveau der Branche in Europa. Zudem arbeiten wir daran, die Komplexität unseres umfangreichen Produkt- und Technologieportfolios noch besser zu beherrschen. Wichtig ist auch die Effizienzsteigerung durch gezielte Automatisierung – nicht nur in der direkten Wertschöpfung, sondern auch in indirekten Fertigungsbereichen und in der Administration.

Besonderes Augenmerk schenken wir zudem der Produktlinie Painted Exterior, in der sich die schon angesprochenen Überkapazitäten im Markt besonders stark auswirken. Deshalb analysieren wir in diesem Geschäftsfeld gerade genau, welche Produkte wir mit welchen Ressourcen und zu welchen Kosten produzieren können. 

 


Ist die POLYTEC GROUP von den jüngsten Sparplänen der europäischen Automobilhersteller betroffen?​​​​​​​​​​​​​​

​​​​​​​Peter Bernscher:  Die gesamte Industrie ist zum Sparen aufgefordert, weil wir die hohen Produktionsvolumina früherer Jahre nicht wieder erreichen werden. Hinzu kommen inflationsbedingte Kostensteigerungen. Dass hier ein Kostenproblem besteht, liegt auf der Hand.

Ein prominentes Beispiel dafür ist Volkswagen, dessen Lage allerdings weniger dramatisch ist, als in den Medien dargestellt: Der gesamte VW-Konzern hat 2024 sogar ein Umsatzplus von knapp 1 Prozent verzeichnet und bleibt mit rund 9 Millionen verkauften Fahrzeugen weltweit, davon 4,8 Millionen unter der Kernmarke VW, europäischer Marktführer. Bei den rein elektrisch angetriebenen Fahrzeugen wurden im Vergleich zu 2023 jedoch um ca. 3 Prozent weniger verkauft.

Was die Sparpläne von VW betrifft: Es gibt keine Schließungen von Kernstandorten, aber es gibt sehr wohl Einschnitte bei den Produktionszahlen – wie viel Produktionskapazität VW hier herausnehmen wird, ist noch nicht bekannt. Der Druck auf die Zulieferindustrie zur Steigerung ihrer Wettbewerbsfähigkeit war aber bisher schon hoch – ihn weiter zu erhöhen, wäre kontraproduktiv. Wir konnten für 2024 auch wieder Preisanpassungen verhandeln, die angesichts der maßgeblich veränderten Rahmenbedingungen notwendig wurden. Das Klima bleibt konstruktiv. Zudem haben die Erfolge mit der POLYTEC SOLUTION FORCE unser Standing über die Jahre verbessert, die Kunden trauen uns heute eine noch bessere und umfassendere Lösungskompetenz zu. 
 


Und wie geht es Ihnen mit dem aktuellen Verbrenner-Revival?

 

Peter Bernscher:  Kurz- und mittelfristig profitieren wir vom – zeitlich wohl begrenzten – Revival des Verbrennungsmotors mit höheren Stückzahlen und längeren Laufzeiten. Damit bleibt der Umsatz mit Verbrennungsantrieben (inkl. Hybridfahrzeugen) im Bereich Powertrain Solutions von POLYTEC nach wie vor ein entscheidender Erfolgsfaktor. Ursprünglich hatten wir erwartet, dass der Anteil dieser Produktgruppe rascher abnimmt, der Trend hat sich nun jedoch verlangsamt. Dies wird durch die erwartete Verzögerung der CO2-Reduktionsvorgaben durch die EU noch bestätigt. Im Jänner 2025 entfielen etwa 60 Prozent der PKW-Zulassungen in Europa auf Fahrzeuge mit Elektroantriebskomponenten, davon waren jedoch 42 Prozent Hybridfahrzeuge, also auch mit Verbrennungsmotoren ausgestattet. Anders gesagt, befand sich in mehr als 80 Prozent aller Neuwagen noch konventionelle Powertrain-Technologie. 
 


​​​​​​​In den letzten Jahren haben Sie sich in Ihrer Entwicklungsarbeit stark auf Elektromobilität konzentriert. Haben Sie mit Ihrem Engagement in diese Richtung ins Leere investiert?

 

Peter Bernscher:  Die Entwicklung und die Vergabe von Projekten wurden lediglich aufgeschoben. POLYTEC ist dank innovativer Lösungen gut positioniert – etwa beim Batteriemodul, im Thermal Management oder bei Unterbodenlösungen. Wir haben hier erhebliche Kompetenz aufgebaut und können ein sehr attraktives modulares Paket anbieten, sind aber eben noch nicht in der industriellen Fertigung. Mittelfristig sollten wir hier jedenfalls gut punkten können, denn wir verfügen über die Technologie und die passenden Produkte.

Momentan kommt uns die Verlangsamung bei der E-Mobilität tendenziell sogar entgegen, denn wir müssen nur punktuell in neue Fertigungsanlagen investieren. Das ist in der aktuellen Situation kein Nachteil. Wenn der Trend wieder umschlägt, haben wir die entsprechenden Produktlösungen parat – eine Win-Win-Situation also.

 


Wo liegen sonst Ihre Schwerpunkte in Sachen Innovation? Spielt z. B. Wasserstoff eine Rolle, insbesondere bei LKW und Nutzfahrzeugen?​​​​​​​​​​​​​​

​​​​​​​Peter Bernscher:  Wasserstoff ist bisher bei keinem OEM in der Massenfertigung angekommen, weder bei LKW noch bei PKW, unserem Hauptfokus. Derzeit ist die Erzeugung von Wasserstoff noch zu teuer, grüner Wasserstoff ist zudem nur beschränkt verfügbar. Vor diesem Hintergrund wird erwartet, dass der Dieselanteil an den weltweit verkauften LKW auch im Jahr 2030 noch bei rund 70 Prozent liegen wird. Wasserstoff eignet sich im Moment primär für Anwendungen, bei denen Batterien keine wirkliche Alternative darstellen, also etwa für die Hochseeschifffahrt. Doch natürlich beobachten wir die Entwicklung in diesem Sektor sehr genau.

Im Übrigen konzentrieren wir uns auf Entwicklungen, die in größerer Stückzahl realisierbar sind. Ein wichtiger Schwerpunkt liegt etwa auf wiederverwendbaren Verpackungslösungen im Bereich Smart Plastics. Neben klassischen Anwendungen für Frischware – also Obst, Gemüse oder Fleisch – kommen viele neue Einsatzgebiete hinzu: regalfertige Verpackungen für weitere Konsumgüter oder Plant Trays. Dies alles wiederverwendbar und vollständig rezyklierbar, denn das Thema Returnable Packaging beschäftigt die gesamte Versorgungslogistikbranche. Wir betrachten das als sehr vielversprechenden Markt und realisieren deshalb gerade mehrere Pilotanwendungen, eine davon in China. 

 


A propos China: In Europa dürften in den kommenden Jahren zunehmend auch chinesische OEMs Fuß fassen. Welche Chancen sehen Sie darin?

 

Peter Bernscher:  POLYTEC wird sich bei jedem Marktteilnehmer präsentieren, der in Europa produziert. Wir beobachten die Situation jedenfalls genau und prüfen, unter welchen Bedingungen eine Produktion für chinesische Hersteller möglich wäre. Derzeit handelt es sich jedoch – mit Ausnahme von je einem Werk in Ungarn und der Türkei – vorwiegend um Pläne, aber noch nicht um konkrete Projekte. Die entscheidende Frage wird sein, ob sich die chinesischen Hersteller auf europäische Lieferanten verlassen oder ihre bestehenden Zulieferer aus China mitnehmen. Eine weitere Möglichkeit sind Partnerschaften und Netzwerke – auch hier prüfen wir gezielt mögliche Optionen.
 


Das wachsende Non-Automotive-Geschäft ist also dafür verantwortlich, dass Sie Ihren Umsatz 2024 trotz der Stagnation im ­Bereich Automotive gegenüber 2023 steigern konnten?

 

Peter Bernscher:  Ja, denn unser Non-Automotive-Geschäft war 2024 außerordentlich erfolgreich. Wir halten aktuell bei knapp 15 Prozent des Produktumsatzes in diesem Bereich, verglichen mit 9 Prozent im Jahr 2023. Das entspricht einer Steigerung des Smart-Plastics-Geschäfts um 60 Prozent. Und der Trend geht mittelfristig weiter nach oben.

Dies war aber nicht der einzige Grund für die Umsatzsteigerung. Dank der schon erwähnten konstruktiven Verhandlungen mit unseren Automotive-­Kunden ist es gelungen, Preiserhöhungen zu vereinbaren, die unsere inflationsbedingten Kostensteigerungen überwiegend abdeckten.
 


Der Umsatzanteil von Non-Automotive soll also weiter wachsen?

 

Peter Bernscher: Für die kommenden Jahre halten wir einen Anteil am Produktumsatz von 20 Prozent für realistisch, langfristig streben wir 30 Prozent an. Um die Entwicklung im Bereich Non-Automotive voranzutreiben, haben wir 2024 das neue Performance Center Smart Plastic Applications geschaffen, das diesen Bereich noch stärker in den Fokus nimmt. Neben den schon erwähnten Verpackungslösungen ist hier auch der Bereich Energie – er umfasst sowohl Ladeinfrastruktur als auch Energiespeicherung – von Interesse. Dank unserer Bekanntheit im Markt sind wir bei potenziellen Kunden auch gut positioniert.

Automotive soll aber dennoch unser Kerngeschäft bleiben. Einen Schwerpunkt setzen wir hier z. B. in unserer Produktlinie Truck, Bus and Agricultural Applications mit dem Aufbau unserer Präsenz im Traktorenbereich. Wir beliefern hier dank intensiver Marktbearbeitung mittlerweile alle wesentlichen europäischen Hersteller. Nicht so schnell wie erwartet kommen dagegen neue Formen der Mobilität wie People Mover oder Flugtaxis in Gang, weil die Produkte einfach noch nicht die entsprechende Marktreife erreichen. Wir beobachten die Entwicklungen jedoch sehr genau und können dank unserer Technologie- und Fertigungskompetenz jederzeit auch in diesem Marktsegment attraktive Lösungen anbieten.

 


Erwarten Sie weitere Konsolidierungen in der Automobilzulieferindustrie? Und ist Wachstum durch M&A weiterhin eine Option für POLYTEC?

 

Markus Huemer: Grundsätzlich sind wir seit Jahren überzeugt, dass die Branche eine Konsolidierung bräuchte. Diese findet aber nur bedingt statt. Angesichts der stagnierenden Marktentwicklung in Europa sind Investitionen in signifikantes organisches Wachstum sehr kritisch zu betrachten, während eine aktive Konsolidierung ein attraktives Wachstumsszenario darstellen würde. Wir müssen aber zweifellos zuvor unsere eigene Ertragslage verbessern, um Raum für diese Option zu schaffen. Die Trendwende im Ergebnis ist ein wichtiger Schritt in diese Richtung, letztlich hängt es aber auch von entsprechenden Gelegenheiten ab.

 


Herr Huemer, Sie haben per 1. Jänner dieses Jahres Ihre Operations-Agenden an Martin Resch abgegeben ...

 

Markus Huemer:  Richtig, ich hatte diese Agenden Mitte 2023 übernommen, dies war jedoch nicht auf Dauer gedacht. Ein Produktionsbetrieb braucht insbesondere in einem so angespannten Marktumfeld wie derzeit einen dezidierten COO. Anfang 2024 ist Martin Resch als Managing Director Operations North zu uns gestoßen. Unter seiner Verantwortung stand unter anderem unser Werk in Lohne, das wie erwähnt mit erheblichen operativen Schwierigkeiten zu kämpfen hatte. Martin Resch hat ganz entscheidend zur Behebung dieser Probleme beigetragen und sich mit seiner Kompetenz, Persönlichkeit und Erfahrung im Unternehmen auch sonst sehr positiv eingebracht. Damit hat er sich schnell als künftiger COO qualifiziert. Er bringt wertvolle Erfahrungen in Sachen Operations und Lean Management von Magna Powertrain mit, wo er als General Manager und Geschäftsführer für Fertigungswerke mit mehr als 3.000 Mitarbeiter:innen verantwortlich war. All das hat auch unseren Aufsichtsrat davon überzeugt, ihn zum COO zu bestellen. Ich selbst kann mich damit nun wieder ganz auf meine Kernaufgaben als CEO konzentrieren.
 


Herr Resch, worin bestanden die Probleme im Werk Lohne konkret?

 

Martin Resch: Wir hatten zahlreiche Neuanläufe und zusätzlich mehrere Werkzeugverlagerungen von geschlossenen Werken. Zudem fehlte bei entscheidenden Prozessen die Automatisierung bzw. wurden bestellte Anlagen zu spät geliefert. Das hat die Organisation einfach überfordert, und wir mussten dauerhaft im Task-Force-Modus arbeiten. Das Ergebnis waren hoher Ausschuss, geringe Produktivität, Lieferengpässe und dadurch hohe Sonderfrachtkosten sowie Ineffizienzen in der Personalplanung.

Mittlerweile haben wir die Produktivität und den Ausschuss wieder auf Benchmarkniveau gebracht. Die Sachkosten wurden um mehr als 10 Prozent reduziert, und für hochvolumige Produkte wurden smarte Automatisierungslösungen implementiert. Gleichzeitig haben wir unsere Bestände genau in den Blick genommen und im Jahresvergleich eine beachtliche Reduktion um mehr als 30 Prozent erzielt.
 

 


Welche Lehren ziehen Sie aus diesen Erfahrungen?

 

Markus Huemer: Eine wesentliche Erkenntnis war, dass wir wie eingangs schon erwähnt bei der Zentralisierung der vergangenen Jahre einen Schritt zurück machen müssen. Die Konzentration wichtiger Kompetenzen und Funktionen hat zunächst sehr positiv gewirkt, vor allem in Gestalt der POLYTEC SOLUTION FORCE, die uns in der Marktbearbeitung sehr beachtliche Erfolge gebracht hat. In Zeiten der Ungewissheit über zukünftige Mobilitätskonzepte und die dafür notwendigen Produkte und Kompetenzen konnten wir dadurch den USP unserer Technologiebreite nutzen, um innovative Produkte für neue Anforderungen zu realisieren. In der enorm wichtigen Phase zwischen Akquisition und Fertigungsstart hat die starke Zentralisierung jedoch zu merklichen Nachteilen geführt. Vor allem die Kommunikation zwischen den zentralen Einheiten und der Produktion in unseren Werken ist etwas auf der Strecke geblieben. Die Probleme in Lohne und Weierbach haben gezeigt, dass wir die hohe Komplexität unseres sehr breiten Technologie- und Produktportfolios nicht zufriedenstellend beherrschen können. Daher haben wir Organisationsänderungen vorgenommen und sind davon überzeugt, dass wir nun eine gute Balance zwischen zentraler und dezentraler Verantwortung gefunden haben. Damit haben wir unsere Organisation noch besser auf künftige Herausforderungen vorbereitet.

Martin Resch: Ein Learning ist zum Beispiel auch, dass bei herausfordernden Anläufen sowohl das Projekt- als auch das Launch-Team schon in der Frühphase des Projekts, sprich in der Produktentwicklung, den Fokus auf die optimale Umsetzung in die Serienphase richten müssen. Nicht zuletzt deshalb wurde die Verantwortung für Program Management (früher Projektmanagement) an den Bereich Operations übertragen. Damit sind Kompetenzen und Verantwortung – von der Akquisition eines Projekts bis zum End of Production bzw. zum Ersatzteilmanagement – gebündelt.

Parallel müssen wir in der Produktion weiterhin wohl dosiert in Automatisierung und, wo sinnvoll, in Künstliche Intelligenz investieren. Außerdem wollen wir die in Lohne gelungene Bestandsreduktion auf alle Werke ausrollen – mit entsprechend positiven Auswirkungen auf unser Working Capital.

Gleichzeitig arbeiten wir an der Evaluierung unseres Produktportfolios. Ziel ist es, für jedes Werk das bestgeeignete Produktportfolio zu finden und damit unseren idealen Produktions-Footprint zu definieren. Der Markt hat mittlerweile akzeptiert, dass das Produktionsniveau längerfristig nur mehr bei 15 bis 16 Millionen Einheiten pro Jahr liegen wird – das muss sich auch in der Produktionslandschaft wiederfinden.
 

 


Im Bericht zum dritten Quartal 2024 haben Sie das Geschäftsfeld Painted Exterior angesprochen. Wie sieht hier die Situation aus?

Markus Huemer: Hier sind wir mitten im Thema Portfolioevaluierung. Wir befinden uns bei Painted Exterior im Nischen- und Kleinseriensegment – sprechen also jeweils von wenigen tausend bis zu 20.000 Fahrzeugen pro Jahr. Vor allem das obere Ende dieser Nische – also Stückzahlen zwischen 10.000 und 20.000 – ist für uns wirklich interessant. In letzter Zeit drängen aber Großserien­hersteller genau in diesen Bereich, weil sie ihre Überkapazitäten nutzen wollen, die durch Investitionen in den letzten Jahren entstanden sind. Das bringt die Preise und auch die Volumina extrem unter Druck. Hinzu kommt, dass sowohl Kapitaleinsatz als auch Overheadkosten in diesem Geschäftsbereich überdurchschnittlich hoch sind. All das hat bei uns zuletzt zu hohen Verlusten geführt. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, für welche Kunden mit welchen Produkten und zu welchen Preisen ein Angebot noch sinnvoll ist. 
 


2024 haben Sie die geplanten Ausbaupläne an Ihren britischen Standorten reduziert. Warum?

 

Peter Bernscher:  Auch in Großbritannien sehen wir beträchtliche Volumenseinbußen durch zeitliche Projektverschiebungen bei Premiumfahrzeugen, und das bei unklarem Marktausblick. Deshalb haben wir uns angepasst und das Investitionsrisiko reduziert: Vor die Frage „Make or Buy“ gestellt, entschieden wir uns für den Zukauf statt für die lokale Eigenfertigung von Spritzgussteilen, die dann aber sehr wohl bei uns lackiert und assembliert werden. Dadurch konnten wir die Investitionen deutlich reduzieren. Dennoch halten wir in Großbritannien an zwei zusätzlichen Sequence-Center-Standorten fest, ein dritter wird nach Beauftragung durch den Kunden folgen. In Summe war das eine notwendige und gleichzeitig smarte Anpassung an geänderte Verhältnisse.

 


Mit der Initiative „Go Neutral 2035“ haben Sie sich im Jahr 2022 ambitionierte Nachhaltigkeitsziele gesetzt. Wie geht es Ihnen auf dem Weg zur Klimaneutralität?

 

Markus Huemer: Bestens, denn trotz eingeschränkter Rahmenbedingungen haben wir auch 2024 wieder einiges getan, so zum Beispiel weitere Photovoltaikanlagen ans Netz genommen. Unsere 2022 installierte Recyclinganlage in Ebensee hat im Lauf des Jahres 2024 erstmals das volle Volumen erreicht. Damit konnten wir im vergangenen Jahr allein in Ebensee 5.000 Tonnen Kunststoff wiederverwerten. Verladen auf LKW entspricht dies einem Zug von über 3 Kilometern Länge. Zudem haben wir die Kapazität der Anlage durch eine Effizienzsteigerung um 50 Prozent erhöht.

Zum Thema Recycling können wir auch eine interessante Eigenentwicklung vermelden, mit der wir bei duroplastischen Faserverbundstoffen den Recyclinganteil auf beachtliche 25 Prozent steigern können. Zudem haben wir über das gesamte Unternehmen hinweg den CO₂-Anteil pro Kilogramm verarbeitetes Material reduziert. 
 


Regulierungen wie die CSRD und das EU-Lieferkettengesetz stellen neue Anforderungen an die Branche. Wie setzen Sie diese um?

 

Markus Huemer:  Der zugrunde liegende Gedanke ist richtig, der bürokratische Aufwand muss aber unbedingt auf ein effizientes Niveau gebracht werden. Zudem darf bei allen berechtigten Initiativen die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Europa nicht außer Acht gelassen werden. Wir implementieren die Anforderungen so, dass sie einen tatsächlichen Mehrwert für unsere Nachhaltigkeitsstrategie schaffen, ohne die operativen Abläufe übermäßig zu belasten.

 


Wie sieht es mit Ihren Lieferketten und Einkaufspreisen aus?

 

Peter Bernscher: Die Lieferketten haben sich normalisiert, und es gibt keine Engpässe mehr wie in Zeiten von Corona. Die Rohstoffpreise sind 2024 zurückgegangen, die Energiepreise bleiben trotz des eingetretenen Rückgangs im internationalen Vergleich hoch. In Bezug auf Rohstoffe, Energie und Investitionsgüter setzen wir weiterhin auf eine aufmerksame, risikobewusste Einkaufspolitik. 
 
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2024 waren einige Refinanzierungen für die POLYTEC GROUP fällig. Hatten Sie Schwierigkeiten damit?

 

Markus Mühlböck:  Wir standen im Herbst 2023 vor der Herausforderung, die Weichen für die Kernfinanzierung neu zu stellen. Dies ist auch gelungen: Wir haben den Großteil der EUR 80 Mio., die Ende 2023 bzw. Anfang 2024 fällig wurden, erfolgreich refinanziert, nicht zuletzt dank der Mitwirkung unseres Kernaktionärs. Zudem konnten wir den Kreis unserer finanzierenden Banken breiter aufstellen und unsere Kreditlinien nicht nur bestätigen, sondern ausweiten. Wir verfügen damit über eine solide Kapitalbasis, die unser Geschäftsmodell trägt – mit einem breiteren Portfolio an Partnern und Instrumenten. Dies belegt eindrucksvoll das Vertrauen in unsere Leistungsfähigkeit. Gleichzeitig haben wir uns die notwendige Flexibilität verschafft, um auf Veränderungen im Markt reagieren zu können. Für größere Investitionen nutzen wir dabei immer wieder auch das Instrument der Mietkaufverträge.

 


Die neue Kernfinanzierung weist eine andere Struktur auf als die abgelöste Finanzierung … 

 

Markus Mühlböck: Historisch gesehen beruhte unsere Finanzierung in den vergangenen Jahren auf endfälligen Schuldscheinen. Diese Option stand uns 2023 nicht mehr zur Verfügung. Die Herausforderung bestand darin, eine neue Finanzierungsstruktur zu finden. Das Resultat war der bereits erwähnte Konsortialkredit mit tilgendem Charakter. Es ist sehr erfreulich, dass uns dies als Unternehmen in einer angespannten Industrie mit nicht absolut überzeugender Ertragslage gelungen ist.
 
 


Die POLYTEC-Aktie hat 2024 rund 40 Prozent an Wert verloren. Müssen Ihre Aktionäre ihr Investment abschreiben?

 
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Markus Mühlböck: Nein. Die Entwicklung unserer Aktie ist nicht erfreulich, da gibt es nichts zu beschönigen. Dies ist jedoch kein POLYTEC-spezifisches Thema, sondern hat die gesamte Automobil- und Automobilzulieferindustrie getroffen. Seit Jahresbeginn 2025 verzeichnen wir allerdings ein deutliches Plus von bisher 30 Prozent. Ich persönlich habe Anfang 2025 bereits POLYTEC-­Aktien gekauft. ­Langjährige Investoren haben ebenfalls aufgestockt, und es sind auch neue Aktionäre hinzugekommen.


Wie zufrieden sind Sie mit der Entwicklung der Kennzahlen?

 

Markus Mühlböck: Mit den Ergebniskennzahlen sind wir nicht zufrieden. Das EBIT verbesserte sich zwar um etwa EUR 10 Mio. und ist damit positiv, der negative Ergebnistrend wurde gestoppt. Das Nettoergebnis bleibt aufgrund der hohen Zinsbelastungen dennoch negativ. Hier sehe ich aber eine Entspannung: Unsere Finanzverbindlichkeiten sind geringer als im Vorjahr, und der Euribor geht ebenfalls zurück. Aufgrund der großteils variablen Finanzierungen erwarten wir eine im Vergleich zum abgelaufenen Geschäftsjahr rückläufige Zinsbelastung.

Mit der Bilanz von POLYTEC sind wir grundsätzlich zufrieden: Die Nettoschulden wurden im abgelaufenen Jahr deutlich reduziert, das Verhältnis Net Debt zu EBITDA hat sich von etwa 3 auf 1,2 signifikant verbessert. Weiteres Potenzial sehen wir vor allembeim Working Capital. Im Werk Lohne haben wir durch den Roll-out eines Planungstools wertvolle Erkenntnisse zur Reduktion unserer Vorratsbestände gewonnen. Diese wollen wir nun auf die gesamte POLYTEC GROUP ausweiten und erwarten dadurch eine spürbare Reduktion des Kapitalbedarfs.
 

 


Welche Investitionen planen Sie in den kommenden Jahren?

 

Markus Mühlböck:  Wir haben 2024 etwa EUR 25 Mio. investiert – und damit weniger als ursprünglich geplant. Wie auch in den Vorjahren haben wir damit flexibel auf das Marktumfeld reagiert. 2025 werden wir ebenfalls sehr bedacht investieren. Einen Schwerpunkt legen wir dabei auf weitere Automatisierung, aus der wir uns einen entsprechenden wirtschaftlichen Vorteil erwarten.


Zum Abschluss bitte noch Ihr Ausblick ins Jahr 2025 und danach.

 

Markus Huemer:Wir setzen 2025 weiterhin auf eine Verbesserung unserer operativen Effizienz und damit unserer Ertragskraft. Dafür haben wir mit den in den vergangenen beiden Jahren eingeleiteten Maßnahmen eine gute Basis geschaffen. Hinzu kommt eine eingehende Analyse und gegebenenfalls Anpassung unseres Produktions- und Leistungsportfolios. Basierend auf einem Umsatz in der Größenordnung von EUR 650 Mio. bis EUR 700 Mio. streben wir eine EBIT-Marge von rund 2 bis 3 Prozent an. Dank der deutlichen Reduktion unserer Nettoverschuldung, kombiniert mit einem voraussichtlich weiter sinkenden Zinsniveau, wollen wir auch das Ergebnis nach Steuern in den positiven Bereich drehen. Natürlich ist diese Prognose mit Unsicherheiten behaftet, allem voran dem volatilen Marktumfeld in der Automobilindustrie und der ungewissen Nachfrageentwicklung. Angesichts unserer guten Marktposition sowohl im Automotive- als auch im Non-Automotive-Sektor blicken wir jedoch durchaus mit Optimismus in die Zukunft.